.pdf zum Download: Brief_Agrarminister_2018
Betreff: Agroforstsysteme fördern = positive Umweltwirkungen honorieren und Effekte des Klimawandels mindern
Cottbus, den 08. Januar 2018
Sehr geehrte Frau Staatsministerin, sehr geehrter Herr Staatsminister,
in Anbetracht des Klimawandels steht die Landwirtschaft vor der Herausforderung, ihre Wirtschaftsweise umzustellen und umweltschonender zu gestalten. Derzeit gehen in Deutschland 11 % der zum Klimawandel beitragenden Treibhausgase auf die Landwirtschaft zurück. Gemäß dem von der Bundesregierung verabschiedeten Klimaschutzplan 2050 sollen die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft bis 2030 um über 30 % gegenüber 1990 reduziert werden. Gleichzeitig müssen verstärkt Landnutzungskonzepte umgesetzt werden, die dazu beitragen, negative Begleiterscheinungen des Klimawandels (z.B. zunehmender Wassermangel) abzumildern und die landwirtschaftliche Produktionskraft langfristig zu erhalten.
Darüber hinaus sind dauerhaft wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität notwendig. So befinden sich in Deutschland laut dem letzten Bericht zur Wasserrahmenrichtlinie 90 % der Oberflächengewässer in keinem guten ökologischen Zustand sowie 36 % der Grundwasserkörper in einem schlechten Zustand. Besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang die aus der Landwirtschaft stammenden Nährstoffeinträge und hier vor allem die zu hohe Nitratbelastung.
Agroforstsysteme können bei der Lösung dieser Probleme einen wichtigen Beitrag leisten!
Agroforstsysteme sind Landnutzungssysteme, bei denen Gehölze mit Acker und/oder Tierhaltung auf einer Fläche kombiniert werden („Bäume in der Landwirtschaft“, siehe auch Bilder in Anhang 1 und weitere Info’s z.B. unter agroforst-info.de und agroforstkampagne.net). Durch ihre Strukturschaffung können in den angesprochenen Umweltbereichen und darüber hinaus große positive Umwelteffekte im Vergleich zur aktuell vorherrschenden Landbewirtschaftung erreicht werden (siehe auch Anhang 2).
Diese positiven Umweltwirkungen hat die EU bei der Konzeption ihres Förderprogrammes zur Entwicklung des ländlichen Raums (ELER-Verordnung) bereits in der letzten Förderperiode 2007-2013 sowie auch in der aktuellen Periode 2015-2020 berücksichtigt und eine Maßnahme zur Förderung der Anlage von Agroforstsystemen aufgenommen (Art. 21 EU-VO 1305/2013).
Leider hat bislang keines der deutschen Bundesländer diese Fördermaßnahme aktiviert und auch im GAK-Rahmenplan fehlt ein entsprechender Fördertatbestand. Zwar beobachten wir ein steigendes Interesse von Landwirten am Einstieg in agroforstwirtschaftliche Systeme, doch fehlt es für eine verstärkte Umsetzung an entsprechenden Anreizen im Rahmen der Agrarförderung. So bedarf es dringend einer Initialförderung bei der Anlage von Agroforstsystemen und in den ersten 5 Jahren, wie sie Art. 23 Abs. 1 der ELER-Verordnung vorsieht. Hinzu kommt, dass Agroforstsysteme zwar Greening-fähig sind, dies aber wiederum voraussetzt, dass die Anlage durch das genannte Förderprogramm gefördert wurde (siehe Art. 45 Nr. 6 der Delegierte Verordnung 639/2014). Folglich können Landwirte, die Agroforstsysteme etablieren und somit positive Umweltwirkungen bereitstellten möchten, ohne eine Aktivierung auf Ebene der Länder nicht angemessen honoriert werden.
In Brandenburg wird durch ein Konsortium aus Landwirtschaftsbetrieben und verschiedenen Interessenverbänden seit Anfang diesen Jahres ein INVEKOS-fähiger Vorschlag (unter Berücksichtigung der Kontrollfähigkeit durch Fernerkundung) für ein Förderprogramm zur Förderung von Agroforstsystemen im Bereich Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) erarbeitet. Hierdurch könnte die Anlage und Bewirtschaftung von Agroforstsystemen in diesem Bundesland förderfähig werden. Dieses Programm könnte als Vorbild für entsprechende Programme in anderen Bundesländern und einen entsprechenden Fördertatbestand im GAK-Rahmenplan dienen.
Die Landwirte in unserem Nachbarland Frankreich haben bereits rund 10.000 ha moderne Agroforstsysteme auf landwirtschaftlich genutzten Flächen angelegt, wovon rd. 5.200 ha über die II. Säule der Agrarförderung gefördert werden. Frankreich hat 2015 einen Nationalen Entwicklungsplan Agroforstwirtschaft verabschiedet. Ein wesentliches Argument ist hierbei die Kohlenstoffbindung und damit der Beitrag des Landwirtschaftssektors zur Minderung der Treibhausgasemissionen im Rahmen des Pariser Abkommens des UN-Klimarats vom Dezember 2015, dessen Unterzeichner auch Deutschland ist.
Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels halten wir es für ausgesprochen sinnvoll, dass die Etablierung von Agroforstsystemen auch in Deutschland stärker unterstützt wird und die Agrarministerkonferenz als einen wichtigen Schritt hierfür die Förderung von Agroforstsystemen in den neuen GAK-Rahmenplan aufnimmt.
Unsere Bitte an Sie ist, diese nachhaltige Landnutzungsform in Deutschland zu fördern und sich in der Agrarministerkonferenz für die Aufnahme eines Fördertatbestandes „Anlage von Agroforstsystemen“ in den GAK-Rahmenplan einzusetzen.
Denn die Etablierung entsprechender Förderprogramme auf Landesebene wird erheblich erleichtert, wenn eine Kofinanzierung des Bundes vorgesehen ist.
Initiiert wurde dieses Anliegen im Rahmen der Forschungsgruppe AUFWERTEN (Agroforstliche Umweltleistungen Für WERTschöpfung und ENergie), die sich im BMBF-Forschungsschwerpunkt „Nachhaltiges Landmanagement“ (Fördermaßnahme „Innovationsgruppen für ein Nachhaltiges Landmanagement“) mit Agroforstsystemen beschäftigt. Ausdrücklich unterstützt wird diese Initiative sowohl von der Arbeitsgemeinschaft Agroforst Deutschland, einer Vereinigung vor allem von Wissenschaftlern, die sich der Erforschung und Förderung von Agroforstsystemen widmen, als auch von der zivilgesellschaftlichen Initiative „Agroforstkampagne“, die die Etablierung von Agroforstsystemen fördert und interessierte Landwirte berät.
Gerne erläutern wir Ihnen unsere Vorschläge auch in einem persönlichen Gespräch.
Hochachtungsvoll, stellvertretend im Namen der Initiatoren und Unterstützer
Dr. Christian Böhm
Beispiele für positive Umweltwirkungen von Agroforstsystemen, Quellenverweis ergänzen
Bei Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojektes AUFWERTEN konnte nachgewiesen werden, dass der Nitrateintrag ins Grundwasser unter Energieholzstreifen im Mittel um fast 99 % gesenkt werden konnte.
Agrarholzbestände können in gemäßigten Breiten pro Jahr und ha bis zu 1,2 t Kohlenstoff im Boden binden. Ergänzt wird dies durch Kohlenstoffbindung im Holz, insbesondere wenn dieses stofflich verwertet wird. Aus diesem Grund empfiehlt das gemeinsame Gutachten der wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und für Waldpolitik als eine der wirksamsten Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels die Förderung der Lignocelluloseproduktion in der Landwirtschaft, wie sie die Gehölzstreifen in Agrorostsystemen erbringen. Auf der COP21 hat der französische Landwirtschaftsminister als Beitrag der Landwirtschaft zur Minderung des Klimawandels die Initiative „4-Promille – Böden für Ernährungssicherheit und Klima“ ins Leben gerufen, mit dem ehrgeizigen Ziel, die weltweiten organischen Bodenkohlenstoffvorräte um 0,4 Prozent pro Jahr zu erhöhen, um die anthropogenen Treibhausgasemissionen auszugleichen. Ein Baustein in der Strategie des französischen Landwirtschaftsministeriums ist dabei auch die Förderung der Anlage von Agroforstsystemen.
Gehölzstreifen tragen zur Minderung der Winderosion bei. Der Schlag unseres landwirtschaftlichen Projektpartners wurde aufgrund der Anlage von Energieholzstreifen quer zur Hauptwindrichtung aus der Einstufung als „CCWind“ (Erosionsgefährdung durch Wind) herausgenommen, womit auch die damit verbundenen Bewirtschaftungsauflagen entfielen.
Zum Autor:
Dr. Christian Böhm
Leiter der Innovationsgruppe AUFWERTEN
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Fachgebiet Bodenschutz und Rekultivierung Konrad-Wachsmann-Allee 6
03046 Cottbus
Weitere Links in Deutschland:
www.agroforst-info.de
www.agroforstkampagne.net
https://www.facebook.com/agroforstkampagne/